30.04.2024

Fragen und Antworten zu
Rückständen von Pflanzenschutzmitteln in Paprikapulver

In einem aktuellen Testbericht des Magazins Öko-Test (Mai 2024) wurde Paprikapulver auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln untersucht. Die Testergebnisse der 33 ausgewählten Proben unterschiedlicher Hersteller zeigten eine große Spannbreite von „sehr gut“ bis „ungenügend“.
Die Hauptgründe für die insgesamt 13-mal vergebene Note „ungenügend“ waren zum einen die hohe Anzahl an Rückständen unterschiedlicher Pflanzenschutzmittel in den Paprikapulvern und zum anderen Rückstände des in der Europäischen Union (EU) nicht für die Anwendung zugelassenen Pflanzenschutzmittels Glufosinat.
Im Folgenden möchte der Fachverband der Gewürzindustrie e.V. auf die drängendsten Fragen im Zusammenhang mit den aktuell von Öko-Test veröffentlichten Testergebnissen eingehen.

1. Woher kommt die hohe Anzahl an Pflanzenschutzmittelrückständen in Paprikapulver?
Zur Beantwortung dieser Frage muss zunächst auf die Herstellung des Gewürzes eingegangen werden. Paprikapulver wird aus speziell dafür angebauten Gewürzpaprika gewonnen. Hierzu wird die reife Frucht zunächst getrocknet und anschließend schonend vermahlen. Wichtige Qualitäts- und Geschmacksmerkmale sind dabei die rote Farbe und die Schärfe des Pulvers.
Die Eigenschaften und das Aroma eines Paprikapulvers werden durch die Zusammensetzung der einzelnen Bestandteile der Paprikafrucht (Fruchtfleisch, Plazenta, Kerne) und der Kombination unterschiedlicher Sorten an Gewürzpaprika gesteuert. Hierzu werden mitunter unterschiedliche Bestandteile der Frucht getrennt und anschließend in speziellen Rezepturen wieder zusammengestellt.
Bei den untersuchten Paprikapulvern der Sorte edelsüß handelt es sich nicht um die getrockneten und vermahlenen Früchte eines einzelnen Landwirts oder eines Feldes; tatsächlich handelt es sich um eine Rezeptur aus Bestandteilen der Früchte vieler unterschiedlicher Anbauer, häufig sogar aus unterschiedlichen Ländern oder Kontinenten.
Pflanzenschutzmittel unterscheiden sich in ihren Wirkungsweisen und Anwendungsbereichen, allerdings gibt es für den jeweiligen Einsatz oft eine Auswahl unterschiedlicher Wirkstoffe mit gleichen oder ähnlichen Eigenschaften. So kann es im ungünstigen Fall dazu kommen, dass das Paprikapulver aus Früchten zusammengestellt wird, bei deren Anbau unterschiedliche Landwirte unterschiedliche Pflanzenschutzmittel eingesetzt haben, die sich zu einem Mehrfachrückstand aufsummieren.

2. Woher kommen Rückstände an Glufosinat, wenn dessen Anwendung verboten ist?
Die Anwendung von Glufosinat als Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft ist innerhalb der Europäischen Union seit 2019 nicht mehr erlaubt. Außerhalb der EU wird Glufosinat allerdings häufig weiterhin als Herbizid zur Unkrautbekämpfung in vielfältigen Kulturen wie Sojabohnen, Mais, Raps oder Zuckerrüben angewendet. Seine charakteristische Chemie und seine Wirkungsweise helfen dabei, mögliche Unkrautresistenzen zu vermeiden.
Um das innerhalb der EU geltende hohe Sicherheitsniveau für Lebensmittel aufrechtzuerhalten, gelten für außerhalb angebaute und importierte Lebensmittel entsprechende Vorgaben und Grenzwerte. Bei der Regelung solcher Höchstmengen hat durch die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) im Vorfeld immer eine Risikobewertung stattgefunden. So wird auf Grundlage des aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstandes sichergestellt, dass keine Beeinträchtigung der Gesundheit vorliegt. Risikobewertungen werden regelmäßig aktualisiert.
Der Anbau von Gewürzpaprika erfolgt innerhalb der EU hauptsächlich in Spanien und Ungarn. Der überwiegende Anteil der innerhalb der EU verzehrten Gewürzpaprika wird allerdings in Drittländern außerhalb der EU angebaut und dann importiert.
Der zugelassene Grenzwert für Rückstände an Glufosinat in Paprika wurde von der Europäischen Kommission auf 0,03 mg Glufosinat pro 1 kg frischer Paprika festgelegt.

3. Warum konnten Glufosinatgehalte über dem erlaubten Grenzwert gefunden werden?
Im Testbericht wurden in insgesamt acht der untersuchten Paprikapulver Rückstände des Pflanzenschutzmittels Glufosinat gefunden, die über dem von der EU-Kommission zugelassenen Höchstwert liegen.
Die Verantwortung zur Einhaltung der geltenden Bestimmungen für Lebensmittel, auch in Bezug auf Rückstände an Pflanzenschutzmitteln, liegt beim Lebensmittelhersteller. Um nur gesunde und verkehrsfähige Lebensmittel auf den Markt zu bringen, wird von den Herstellern ein aufwändiges Risikomanagement, kombiniert mit entsprechenden chemischen Untersuchungsmethoden, durchgeführt.
Zur Überprüfung, ob alle Grenzwerte für Pflanzenschutzmitteln eingehalten werden, erarbeiten Gewürzunternehmen spezifische Risikomanagementpläne und geben entsprechende Pestizidscreenings in Auftrag. Diese Screenings umfassen eine große Anzahl von 500-700 unterschiedlichen Pflanzenschutzmitteln. Es sind allerdings über 1400 Substanzen als Pflanzenschutzmittel zugelassen und es ist nicht umsetzbar, alle lückenlos zu kontrollieren. Durch das Qualitätsmanagement der Lebensmittelunternehmen wird daher ein Untersuchungs- und Monitoringplan erstellt, mit Fokus auf die als relevant bekannten Substanzen. Bedingt durch die Tatsache, dass Glufosinat bei Anwendung des Standard-Verfahrens ("Pestizidscreening") nicht erfasst werden kann, wurde die Möglichkeit eines Auftretens von Glufosinatspuren im Gewürzpaprika offensichtlich unterschätzt. Somit fand auch die Untersuchung auf Glufosinat, die in Form einer speziellen Einzelmethode durchgeführt werden muss, keinen Eingang in die Untersuchungs- und Monitoringpläne der Lebensmittelunternehmen. Dies wird sich nun selbstverständlich ändern.

4. Wie reagiert die Gewürzindustrie auf die Situation?
Der deutsche Fachverband der Gewürzindustrie steht in engem Austausch mit seinen Partnerverbänden in anderen EU-Mitgliedstaaten, der Schweiz, England, der Türkei und seinem
Dachverband, der European Spice Association (ESA). Sobald ein derartiger Fall eines bisher unentdeckten Rückstands innerhalb der EU bekannt wird, informiert der Verband des betroffenen Mitgliedstaats umgehend den Dachverband und seine Mitgliedsunternehmen.
Die Reichweite der ESA erstreckt sich durch Mitgliedsverbände und direkte Mitgliedschaften über mehr als 370 Gewürzunternehmen mit Sitz in Europa. Um weiterhin ein hohes Qualitäts- und Sicherheitsniveau beizubehalten, werden vom Dachverband umgehend entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen. Hierzu gehört vor allem
• das Aufklären der importierenden und verarbeitenden Unternehmen mit dem Ziel einer Anpassung ihrer Risikomanagementpläne,
• die Sammlung von Analysedaten, um ein klares Bild über das Ausmaß der Situation zu erhalten,
• der Austausch mit Stakeholder-Organisationen im Herkunftsland des betroffenen Gewürzes.
Die nationalen Gesetze zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in den Ursprungsländern unterscheiden sich häufig stark von den Vorgaben innerhalb der Europäischen Union. In Zusammenarbeit mit Anbauern sowie verarbeitenden und exportierenden Unternehmen im Herkunftsland erarbeitet die ESA-Strategien und Minimierungsmaßnahmen, um eine ausreichende Versorgung mit wohlschmeckenden und verkehrsfähigen Kräutern und Gewürzen in der EU sicherzustellen.
Im Fall von Rückständen an Glufosinat in Paprikapulver wurden die Mitglieder des Fachverbands der Gewürzindustrie e. V. Ende März 2024 über mögliche Überschreitungen der zugelassenen Rückstandsmenge informiert. Diese Information der ESA wurde weitergegeben und um die Erhebung und Einreichung entsprechender Analysedaten gebeten. Der Aufruf zur Dateneinreichung erfolgte an alle der ESA angeschlossenen Verbände und Unternehmen innerhalb Europas und erstreckt sich über die Gesamtheit der von der Branche gehandelten Kräuter und Gewürze.

5. Gehen gesundheitliche Risiken von Glufosinat in Gewürzen aus?
Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) stuft Glufosinat als reproduktionstoxisch ein. Das bedeutet, es steht im Verdacht, die menschliche Fruchtbarkeit zu beeinflussen. Auf Grundlage einer Risikobewertung durch die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) wurden Höchstmengen für den Rückstand an Glufosinat festgelegt, die ohne gesundheitliche Bedenken aufgenommen werden können.
Im Fall von Gewürzen und Kräutern ist das Risiko für die Gesundheit zusätzlich verringert, da Gewürze in sehr geringen Mengen verzehrt werden und somit die Exposition im Vergleich zu den Grundnahrungsmitteln wie z. B. Kartoffeln minimal ist. Für Kartoffeln gilt sogar ein zehnmal höherer Rückstandshöchstgehalt für Glufosinat (0,3 mg/kg) als für frische Paprika (0,03 mg/kg). Das verdeutlicht, dass zwar die Verkehrsfähigkeit, nicht aber automatisch die Lebensmittelsicherheit und der Schutz der menschlichen Gesundheit durch eine Überschreitung des Rückstandshöchstgehalts verloren gehen.
Diese gesundheitliche Einschätzung teilt laut dem Magazin Öko-Test auch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), welches aufgrund der geringen Verzehrmenge ein Gesundheitsrisiko für den Verbraucher ausschließt, selbst für die in diesem Test untersuchten Paprikapulver, welche über dem gültigen Grenzwert mit Pflanzenschutzmitteln belastet sind.

Pressemitteilung zum Download:
Q A_FGI_Paprikapulver